Der Schädling lässt sich nicht mit einzelnen Maßnahmen kontrollieren. Je nach Befalls-
verlauf, Witterung und Kultur sind eine Vielzahl
von Maßnahmen in einer angepassten
S
trategie notwendig. Das bedeutet höhere Arbeits- und Investitionskosten.

 

Männliche Kirschessigfliege, erkennbar an
den beiden dunklen Flügelflec
ken

 

Foto: Beuschlein

 

 

 

Gut sichtbare Atemschläuche von Eiern an

 

                              einer Pflaume                                Foto: Betz/LTZ

 

 

 

wurde, stellt nach wie vor eine der größ-
ten
Herausforderungen für den Pflan-
z
enschutz im Erwerbsanbau, aber auch
im
Haus- und Kleingarten dar. Im Stein-
un
d Beerenobst waren die Schäden ins-
b
esondere in den Jahren 2014 und 2016
besonders hoch, was bis zum Totalver-
lu
st (z.B. bei Kirschen, Brombeeren und
Himbeeren) führte. Auch der Weinbau
ist mit
einigen roten Traubensorten bei
K
elter- und Tafeltrauben betroffen. Die
Anfälligkeit dieser Kultur und die bisher
a
ufgetretenen Schäden stehen allerdings
in keinem Verhältnis zu denen im Obst-
b
au. Neben den Kulturfchten befällt
der Schädling außerdem eine hohe An-
zah
l von Wild- und Zierfrüchten. Je nach
Populat
ions- und Befallsdruck finden
Eiablagen schon ab April/Mai z.B. in
Ef
eubeeren aus dem Vorjahr oder in Mai-
beeren statt.

 

Breite Zusammenarbeit

 

Bereits seit 2010 beschäftigen sich die
Pflanzenschutzdienste der Bundeslän-


 

 

der, Forschungseinrichtungen des Bun-
d
es wie das Julius Kühn-Institut (JKI)
sow
ie Hoch- und Fachschulen mit der
Kirsc
hessigfliege (KEF). Hinzu kommt
d
er intensive fachliche Austausch inner-
h
alb Deutschlands und auf internationa-
ler Ebene mit Kollegen aus europäischen
Ländern, aus USA oder Kanada bei Ta-
gungen, über gemeinsame Projekte oder
im b
ilateralen Erfahrungsaustausch.
Schwerpunkte dabei sind Fragestellun-
gen z
um zeitlichen und räumlichen Auf-
treten des Schädlings in den natürlichen
H
abitaten sowie in den Kulturflächen,
zum Ausbreitungsverhalten, zu den
Wir
tspflanzen außerhalb der Kulturflä-
chen sowie zu Zusammenhängen von
B
efalls- und Populationsentwicklung in
den v
erschiedenen Kulturen und Wild-
wirten mit dem Witterungsverlauf.

 

Neben diesen Fragen zur Biologie und
z
um Verhalten hat die Bekämpfung und
d
amit der Schutz der Kulturen mit kurz-
u
nd langfristigen Maßnahmen höchste
Prio
rität. Hier hat sich (wie auch bei
a
nderen Schaderregern) gezeigt, dass
die
biologischen Kenntnisse eine wichti-
ge Entscheidungshilfe r die zu treffen-
den Regulierungsmaßnahmen sind.

 

Obst & Garten 1412017


                       

Biologie des Schaderregers

Die Kirschessigfliege ist ein Schädling, der die
gemäßigteren Temperaturbereiche mit Som-
m
ertemperaturen zwischen 20 und 25 "C so-
wi
e eine höhere relative Luftfeuchte bevor-
zu
gt. Die Fliege überwintert nach bisherigen
Erk
enntnissen als erwachsenes Tier und ist
auch im Winter ab Temperaturen um 8 "C
aktiv. Das belegen regelmäßige und je nach
St
andort und Temperaturverlauf nahezu
durch
ngige Winterfänge z.B. in Baden-
rttemberg. Lange Frostperioden im Winter
od
er Stfröste im Frühjahr können die Popu-
lation
zwar dezimieren. Sie führen jedoch
nich
t zu ihrer vollständigen Vernichtung, da
die Fliegen gegend geschützte Bereiche z.B.
in dichter Vegetation von Heckenstrukturen
oder W
äldern bis hin zu den Kronenbereichen
etwa von immergrünen Bäumen finden.

Das von der Kirschessigfliege bevorzugte
Kleinklima während der Fortpflanzungsperio-
d
e vom Frühjahr bis zum Herbst bietet auch
glichkeiten, die Populationsentwicklung in
den Kultur
en zu beeinflussen. Durch die Schaf-
fun
g gut durchlüfteter Bestände mit niedrigem
Unt
erwuchs und damit geringerer Luftfeuchte,
aber auch durch Erhöhung der Temperaturen
durch Schnitt- und
Mu1chmaßnahmen lässt.
sich die Zahl der Fliegen und somit die der ab-
g
elegten Eier in den Früchten verringern. Auch
die Redu
ktion des Nahrungsangebotes r die
Fli
egen durch Hygienemaßnahmen, z.B. das
Entfernen beschädigter oder kranker Früchte,
und di
e Gesunderhaltung der heranreifenden
und r
eifen Früchte können zu einer Dezimie-
rung der Population in den Kulturen führen.
Dazu gehört auch die rasche und vollständige
Ernt
e. Leider stellen diese Maßnahmen aber
k
einen vollständigen Schutz dar und Schnitt-
maßnahmen sind in einigen Kulturen oder
So
rten nur bedingt möglich.

Unterschiedlicher Befallsverlauf

Die Jahre 2014 bis 2016 haben uns z.B. für
B
aden-Württemberg deutlich gezeigt, wie un-
t
erschiedlich die Befallsentwicklung in den
aufeinanderfolgenden obstbauliehen Kulturen
in Abh
ängigkeit vom Witterungsverlauf in der
gesamten Vegetationsperiode trotz ähnlicher
kulturtechnischer und H
ygienemaßnahmen
s
ein kann. In den zurückliegenden 3 Wintern
waren an vielen Standorten keine deutlichen
Un
terschiede in den Fallenngen erkennbar.
Das Ausgangs- und damit Risikopotenzial für
di
e jeweilige Saison erschien ähnlich. 2014
traten die ersten massiven Schäden in den
Kirschen
auf und die Gefährdung und der
Bef
all der nachfolgenden anfälligen Kulturen
bi
s zum Herbst waren durch die r die Flie-
gen
günstige Witterung mit meist warmen
und ni
cht zu heißen Temperaturen und höhe-
r
er Luftfeuchte sehr hoch.

2015 kam es durch die vorwiegend trockene
und h
ee Witterung nicht zu dem massiven
B
efallsgeschehen wie im Vorjahr, obwohl die
Fall
enfänge nicht deutlich auf eine geringere


 

 

an Erdbeeren, Salaten und Spargel

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B
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I

Pflanzenschutz

Population hinwiesen. Im vergangenen
J
ahr 2016 war wiederum der Befalls-
druck in den Kirschen sehr hoch und
hi
elt bis Ende Juli für die nachfolgenden
Kulturen an. Der Hochsommer 2016 war
heiß und trocken, was zu einem gerin-
geren Befallsrisiko für Kulturen wie
Z
wetschgen oder Brombeeren in dieser
Z
eit führte.

Trotz der beschriebenen witterungsbe-
din
gten Unterschiede im Befallsgesche-

                       

hen und der kulturtechnischen Möglich-
keiten, den Befallsdruck zu senken, war
die Kirschessigfliege in den Anlagen und
Kultur
en ständig präsent und bei zuneh-
m
end günstigeren Bedingungen für den
Schädling nahm auch der Befall zu.

glichkeiten der Bempfung
Einnetzungen stellen gegenwärtig eine
g
ute Möglichkeit dar, die Kulturen weit-

fiMUM ~htkalk.

 

bis am Tag der Ernte
frei von:

Kirschessigfliegen
Pilzen
Mangelerscheinungen
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Bu
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gehend vor Kirschessigfliegenbefall zu
sctzen. Die empfohlenen Maschenwei-
ten sind dabei ~ 1 mm- (z.B. 0,8 x 0,8 mm
oder 0,8 x 1,0 mm). Auch grobmaschige-
re Netze
können ggf. bei geringerem
Befallsdruck eine Barriere für die Flie-
ge
n darstellen und somit zur Verzöge-
r
ung des Befalls führen. Dabei können
z.B. einzelne Bäume oder mit einem Ge-
rüst auch Strauchbeeren eingenetzt wer-
den.

Einbohrlöcher an Himbeere

Nach den bisherigen Erfahrungen ge-
hren Netze jedoch keinen vollständi-
ge
n Schutz. Undichte Stellen oder die
Öffnung der Netze für z.B. Kultur- oder
E
rntemaßnahmen stellen Eintrittspfor-
ten für die Kirschessigfliege dar. Somit
is
t auch unter Netzen das Anbringen von
Fallen sowie die regelmäßige Eiablage-
u
nd Befallskontrolle in den heranreifen-
den Früchten angeraten, um durch frühe
Er
nte den weiteren Befallsanstieg zu ver-
hindern.

Die relativ dichten Maschenweiten und
di
e vollsndige Schließung der Netze
kön
nen aber auch zu ungewollten Neben-
w
irkungen führen. Das Mikroklima unter
den Netzen kann sich je nach Witterung
s
o verändern, dass ggf. andere Schädlinge
(z
.B. Spinnrnilben) oder Krankheiten
(
z.B. Monilia oder Botrytis bei Kultur oh-
n
e Regendach oder bei eingeschnkter
Belüftung) begünstigt werden. Auch kann
d
as "Aussperren" von Nützlingen (z.B.
Blattlausgegenspieler) zu einer Verhinde-
rung narlicher Regulierungsmechanis-
men von Schädlingen führen. Zu beach-
ten ist auch die ausreichende Bestäubung
der Blüten. Bei Herbsthimbeeren, die
über einen langen Zeitraum gleichzeitig
blühen und fruchten, ssten Hummel-
v
ölker unter dem Netz zur Bestäubung
ei
ngesetzt werden. Das lohnt sich aber
nu
r bei größeren Beständen in begehba-
ren Netzkonstruktionen.

Erfahrungen aus Asien

Wie beschrieben, ist der Austausch auf
n
ationaler und internationaler Ebene zu
F
ragen der Bekämpfung und zur Biologie
des Schädlings in den neuen Ausbrei-
tungsgebieten der Fliege ausgesprochen
w
ichtig. Daneben stellt sich auch immer
w
ieder die Frage nach den Maßnahmen
gegen die Kirschessigfliege in deren Ur-
s
prungsgebiet. Auch hier erwies sich ne-
b
en der Recherche von Veröffentlichun-

Larven in befallenen Himbeeren Foto: Just/JKI

gen der direkte Austausch mit den Kolle-
gen vor Ort am effektivsten. 2015 fanden
zwei Delegationsreisen nach Asien statt
- d
ie erste unter Beteiligung der beiden
JKI
-Institute "Pflanzenschutz in Obst-
und W
einbau" sowie "Biologischer Pflan-
zenschutz". Die zweite Delegation fand
unter
Leitung des JKI mit Beteiligung von
Vertretern der Pflanzenschutz dienste von
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz,
Nordrhein-Westfalen und Hessen statt.

Die wesentlichen Erkenntnisse beider
D
elegationsreisen bestätigten die beschrie-
benen Strategien zur Regulierung des
Schädlings. Kulturtechnische Maßnahmen,
Hygiene und Einnetzung der Kulturen
sind dabei essenzielle Bausteine. Wichtig
wa
r aber auch die Erkenntnis, dass die
Kultur
en an sich sowie deren Vielfalt, die
S
truktur der Anlagen (z.B. Kleinräumig-
keit) oder die zahlreichen und weit ver-
breiteten Wildwirte in den neuen Ausbrei-
tun
gsgebieten in Europa und Nordameri-
ka nicht vergleichbar mit denen in Asien
sind. In Chin
a ist die Kirschessigfliege
kein Hauptschädling im Obstbau. Im
W
einbau stellt sie keinerlei Problem dar.
Das lässt ggf. auf narliche Regulie-
rungsmechanismen schließen, die aber
bisher nur in Ansätzen aufgeklärt sind. In
Ja
pan erfolgt im Erwerbsanbau neben
d
en genannten Maßnahmen in den rele-
vanten Kulturen (v.a. Kirschen und Hei-
delbeeren) eine sehr intensive chemische

Obst & Garten 1412017


 

 

 

8


 

 

 

Die invasive Kirschessigfliege
(Drosophila suzukii), die
2008 in Europa und 2011 i

n

ekämpfung mit Insektiziden. Ob die be-
tr
offenen Kulturen auch in Gärten ange-
baut werden, wurde nicht berichtet.

Dies macht deutlich, dass die Kirsches-
sigfliege nicht mit einzelnen Maßnahmen
kontrolliert werden kann, sondern nur
mit
einer Vielzahl von Maßnahmen in ei-
n
er dem Befallsverlauf, der Witterung
un
d der Kultur angepassten Strategie. Das
bringt jedoch auch höhere Arbeits- und
I
nvestitionskosten mit sich.

 

 

Deutlicher Befall an Kulturheidelbeeren

 

Intensive Kooperation

Obwohl wir in der kurzen Zeit seit 2011
viele Kenntnisse und Erfahrungen über
den Schädling erworben haben, fehlen zu-
friedenstellende Lösungen für die vielen
b
etroffenen obstbauliehen Kulturen. Es ist
d
aher dringend erforderlich, weiterhin al-
le Kräfte zur Erarbeitung einer nachhal-
tigen Bekämpfungsstrategie zu bündeln.

Ein Schritt in diese Richtung ist etwa
das europäische Kooperationsprojekt "In-
vaProtect - Nachhaltiger Pflanzenschutz
gegen invasive Schaderreger im Obst- und
We
inbau" im Rahmen von Interreg-Ober-
rhein mit 30 Partnern aus Frankreich, der
S
chweiz und Deutschland unter Leitung
des Landwirtschaftlichen Technologiezen -
trum
s (LTZ) Augustenberg. Das Projekt
wird zu ca. 50  über die EU mit EFRE
(Europäischer Fonds für regionale Ent-
wicklung)-Mitteln, für die Schweizer Part-
n
er von den zum Oberrheingebiet geri-
gen Kantonen sowie vom Bund gefördert.

In einem weiteren Projekt SIMKEF -
Er
arbeitung von Basisdaten zur Prognose
der Populationsdynamik und' des Befalls-
risikos an Obst und Wein durch die
Kirschessigfliege, in dem das LTZ
Kooperationspartner zusammen mit dem
Di
enstleistungszentrum Ländlicher Raum
(DLR) Rheinpfalz unter Leitung der Zen-
tralstelle der deutschen Länder für EDV-
gestützte Entscheidungshilfen und Pro-
g
ramme im Pflanzenschutz (ZEPP) ist,

 

4120171 Obst & Garten

 

soll der Entwicklungszyklus der Kirsch-
essigfliege in Abhängigkeit von der Tem-
peratur, der relativen Luftfeuchte sowie
v
on Habitat und Wirtspflanzen funktio-
nal
erfasst werden. Das stellt die Grund-
lage r ein Modell zur Beschreibung der
Populationsdynamik und des Befallsrisi-
k
os für die Kulturen dar. Gefördert wird
dieses Projekt durch die Bundesanstalt
für Landwirtschaft und Ernährung
(BLE).

 

 

Befallene Kirsche

 

Fotos: Köppler/LTZ

 

Unsichere Prognose

Ein Ausblick zum Populations- und Be-
fallsverlauf der Kirschessigfliege für die
Sa
ison 2017 ist nicht möglich. Es herrsch-
ten seit Anfang Januar Temperaturen teils
deutlich unter dem Gefrierpunkt. Wie
Labor-Untersuchungen gezeigt haben,
kann die Fliege Minustemperaturen über
e
inige Stunden gut aushalten, aber sicher
nicht über mehrere Tage oder Wochen.
Auch wissen wir nicht, wie sich die gegen-
rtigen Temperaturschwankungen zwi-
sc
hen Tag und Nacht auf die Überlebens-
fähigkeit auswirken, wenn die Höchst-
temperaturen am Tag trotzdem für die
Fliegen nicht hoch genug sind, um aktiv
z
u werden und Nahrung aufzunehmen «
8 Oe). Nischen, Verstecke u.a. schützen
aber auch viele Tiere unter den herr-
schenden Bedingungen vor der lte.

Somit ist schwer abzuschätzen, welche
Anteile der Population in welchen Regio-
n
en im Winter abgestorben sind. Es ist
jedoch unwahrscheinlich, dass die KEF
v
ollständig verschwindet. Wie schnell sich
dann die verbleibenden Tiere vermehren
könn
en und es zu einem deutlichen Popu-
lationsanstieg kommt, hängt auch vom
Witt
erungsverlauf im Frühjahr ab März/
April ab. Erste Fliegennge konnten be-
r
eits ab Mitte Februar in einzelnen Fallen
in Nordb
aden verzeichnet werden.

 

Dr. Kirsten Köppler, LTZ Augustenberg


Deu

tschland nachgewiesen